Sonntag, 15. Juni 2014

2010



Barriere

Sandsäcke, Leuchtstoffröhren, Kabelwerk oder das schrille Läuten einer Sirene sind die Bestandteile dieser Arbeit von Mahdieh Bayat. Wovon hier die Rede ist, könnte man mit einem Wort als Ausnahmezustand definieren. Im Wissen um den biografischen Hintergrund von Mahdieh Bayat, die als iranische Studentin an die Akademie der bildenden Künste kam, liegen Assoziationen mit Krieg, politischen Auseinandersetzungen und Widerstandsbewegungen auf der Hand. Entkoppelt von dieser biografischen Notiz und installiert im Kontext künstlerischer Diskurse, stehen diese Repräsentationen für eine Alltäglichkeit der entsprechenden politischen und sozialen Bedingungen. Widerstandskämpfe und Krieg sind damit Teil einer Vorstellung von Alltagskultur. Was Mahdieh Bayat hier installiert, ist weniger eine Ästhetisierung von Politik als die Erfahrung, wie sich politische Verhältnisse in die Vorstellung von Ästhetik einschreiben, ja in diese eindringen. Und dieses Eindringen gilt es zu übersetzen in eine Sprache, die ein Verdrängen der entsprechenden Verhältnisse nicht zulässt. Paradox und interessant erscheint dabei, dass der Ausnahmezustand in der Kunstgeschichte bis zur Moderne mit der Vorstellung des Sublimen oder Genialen verbunden war – also Kunst als eine Figur jenseits der Norm des Alltäglichen meinte. Unter den Bedingungen einer Politik im Ausnahmezustand bedeutet dies für die Kunst aber, die Stimme für den Alltagscharakter dieses Ausnahmezustandes zu erheben. In der Arbeit von Mahdieh Bayat wird so die Ausnahme zur Regel.(Andreas Spiegel)